Dieses Arranger Keyboard habe ich, damals den Werbe-Versprechen von Roland noch gutgläubig trauend, kurz nach seiner Markteinführung gekauft.
Mit zwei Updates versuchte Roland die erste, unbrauchbare Version vergessen zu machen. In der gegenwärtig dritten Auflage lässt sich der G-70 von erfahrenen Usern zwar beherrschen, ist aber noch immer mit vielen Fehlern und Macken verseucht. |
Bei Roland hat man dann dafür gesorgt, dass solche Zustände künftig gänzlich ausgeschlossen sind, denn Roland stellte die Produktion von Arranger Keyboards der gehobenen Klasse ein........
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Allgemeiner Eindruck
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Obwohl der G-70 nicht über eingebaute Lautsprecher verfügt, so bringt er doch innerhalb der Gruppe von Keys, die ich besaß oder noch besitze, bei weitem das höchste Gewicht auf die Waage. Dazu trägt die Tastatur mit 76 Tasten, „handfesten“ Materialien und deren solider Verarbeitung wohl schon eine Menge bei.
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Auch das Gehäuse, fast gänzlich aus Formblech bestehend, vermittelt einen hervorragenden Eindruck, was die „Road- und damit auch Stage-Tauglichkeit“ betrifft.
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Der Touchscreen arbeitet bis auf ganz seltene „Ausreißer“ fehlerfrei. Lediglich das „Kontrastpotentiometer“ ist Billigstware an sich und musste einmal „nachgelötet“ werden.
Natürlich ist mein Display meist mit Fingerabdrücken übersät. Das häufig vorgeschlagene Arbeiten mit der Bleistift-Radierkuppe widerstrebt mir und wirkt auch bei einem „Gig“ nicht so überzeugend....
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Zusammenfassend kann man also sagen:
Wie von früheren Roland-Produkten gewohnt, macht der G70 erstmal einen grundsoliden Eindruck, wirkt aufgeräumt und übersichtlich, kurz, er vermittelt auf den ersten Blick, dass da kein „billiges Teil“ vor einem steht.
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Die Bedientaster arbeiten zuverlässig und sind bis zum Schluss (also Wiederverkauf) ausnahmslos „standhaft“ geblieben. Meinen Ruf als „schnellster Taster-Wechsler der Neuzeit“ brauche ich also, wegen den fehlenden "Sollbruchstellen", die beim G1000 an den Tastern serienmäßig waren, nicht mehr unter Beweis stellen.
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Lediglich die weit abstehenden Drehpoti und der altgewohnte Bender/Modulations-Griffel trüben geringfügig den sehr guten Gesamt-Eindruck.
Die Tastatur dürfte auch in der jetzigen Zeit immer noch die beste in diesem Preissegment unter allen vergleichbaren Modellen aller Hersteller sein und bei vielen Usern einst zur Kaufentscheidung beigetragen haben.
Daher muss sie auch immer herhalten, wenn man den G-70 an anderer Stelle kritisiert und dem "Gegenüber" die Argumente ausgehen und er sagt: "Bedenke aber, dass allein die Tastatur schon einsame Spitze ist....."
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In dem Falle würde ich dann aber ein Döpfer Masterkey vorziehen. |
Sound
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Jahrelang zählten die Sounds aus dem Hause Roland zu den „besten“ am Markt. Sie dienten als Referenz für andere Hersteller. Dass diese anderen Hersteller mittlerweile offensichtlich „bessere und schönere“ Sounds entwickelt haben, sehen einige Roland „Hardliner“ nicht so, lässt sich aber an den Verkaufszahlen verifizieren.
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Jedenfalls war es aus „scheinbaren“ Kompatibilitäts-Gründen zu Vorgänger-Modellen bei Roland durchaus üblich, im „größten“ Modell einer Herstellungsreihe immer ein paar neue Sounds zusammen mit allen „alten“ Sounds der Vorgänger einzubauen.
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Dadurch ist die Anzahl der im G-70 eingebauten Sounds mittlerweile auf den (vor allem in dieser Menüauswahl) unübersichtlichen Wert von fast 1600 angestiegen.
Und so kann man die Sounds des G-70 zwar im Vergleich mit anderen Modellen seiner Zeit noch zu „den Guten“ rechnen, doch bestätigt sich nach einiger Zeit der Eindruck „mehr Quantität als Qualität“.
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Das soll im Klartext heißen, man kann dem G-70 getrost von den 1600 Sounds die Hälfte wegnehmen,
ohne dabei einen guten Sound zu opfern......
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Was andere Hersteller inzwischen mit Velocity, gebundener/ungebundener Greifweise und Aftertouch bezogen auf die Echtzeit-Beeinflussung ihrer Sounds anstellen, ist an Roland fast spurlos vorbei gegangen.
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Immerhin, ein paar wenige Beispiele gibt, wo man den Sound über die Velocity/Anschlagstärke „livemäßig“ beeinflussen kann. So gefunden bei einer Akustikgitarre, einem tollen Chor und ein paar Orchesterklängen, ein kleines Häuflein unter den 1600, dazu noch gut versteckt. |
Sehr "unglücklich" gelöst ist die Namensvergabe der Sounds, selten stimmen Namen und die damit verbundene Vorstellung von einem Sound überein. Mag sein, dass auch bei Roland ein System hinter den Soundnamen steckt, doch vergaß man dies den Usern mitzuteilen. |
Styles
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Wie schon all seine Vorgänger, so ist auch der G-70 mit den allseits bekannten, hervorragenden Roland-Werkstyles ausgestattet.
Und auch wegen der Güte dieser Styles und einigen anderen Versprechungen der Firma Roland habe ich mir dieses Key einst als Nachfolger meines betagten G1000 gekauft.
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Aber ich habe auch schon immer gesagt, dass die Styles des G70, wie überhaupt die Rolandstyles, zum spontanen Musizieren und „Drauflos spielen“ nicht so gut geeignet sind. Sie sind mehr als sehr gutes „Demo“ Material anzusehen.
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Und genau so sind sie auch gestrickt, fein säuberlich nach den Merkmalen und Regeln der verschiedenen Musikstile, unter akribischer Vermeidung jeden Wiedererkennens mit irgendeinem bekannten Songtitel.
Wenn man andere, diesbezügliche Beiträge auf meiner Homepage liest, weiß man, wie ich das meine.
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Rolands Stylestruktur nämlich ist es, die es erst möglich macht, solch gute Styles zu bieten. Wenn man sich derer Möglichkeiten bedient (und auch danach richtet), ist es mit etwas Geduld und ein klein wenig „Talent“ relativ schnell möglich, als User selbst Styles in dieser Qualität und dann nach eigenen Vorstellungen zu erstellen.
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Effekte
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Im G-70 sind 5 Effekt-Geräte für „alle Musiker“ eingebaut. Genau so wurde es damals bei der Produktvorführung propagiert und vom interessierten User als ausreichend empfunden. Nun, beim Arbeiten mit dem Key fand man schnell heraus, dass die Effekt-Abteilung im G-70 eher zu den spartanisch ausgestatteten ihrer Art zählt. |
Man stelle sich vor:
8 Musiker (Spuren, Tracks) im Begleitorchester teilen sich 2 Effektgeräte, davon eines ausschließlich für Hall, das andere für Chorus oder Echo. Da muss man als „Dirigent“ Prioritäten setzen......
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Die gleiche Anordnung findet sich für die „Solisten“ der rechten Hand. Zusätzlich findet man hier ein Multi FX Gerät, bei dem man zeitgleich einen von über 80 eingebauten Effekt-Algorithmen auf die einzelnen Live-Parts routen kann. Ich finde zudem, dass viele dieser „Effekte“ nicht das Gelbe vom Ei bieten.
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Man möge nur mal so zum Vergleich seine Gitarre über eine preiswerte „Analog-Chorus-Tretmine“ spielen, und man weiß, wie ich das meine. Allerdings sind die Korgchen Gitarren Effekte bis heute (2017) kein bisschen besser...... |
Kurz, die Effektabteilung im G-70 ist für ein Keyboard dieser Preisklasse stark unterbelichtet.
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Gesang / Vocal Harmonist
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Mit dem G-70 kann man nicht nur vorzüglich „Musik machen“, man kann auch den eigenen Gesang von der eingebauten Gesangsanlage bearbeiten und dem Publikum zu Gehör bringen.
Um diese zu nutzen, muss man ein Gesangsmikrofon an der rückwärtigen XLR-Buchse des G-70 anschließen und über das Poti Input Gain sauber „Einpegeln“.
Fortan wird die Lautstärke des Gesangs über Poti VOICE eingestellt. |
Global ( also pro User SET LIST) lässt sich jetzt für den Gesang ein Noise-Gate und ein Kompressor einstellen. Und ganz hervorragend die Möglichkeit, nun bei gedrückter Taste Singer diese Gesangsstimme mit vielfältigen Effekten zu belegen.
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Viele Hall- Echo- und Kombinationen beider stehen neben zusätzlichem EQ zur Verfügung und sind – und das macht die Sache tatsächlich rund- je UPG individuell abzuspeichern.
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So ist man in der Lage, für jeden Song die Stimme entsprechend abzumischen. Dieses Signal wird dann normalerweise über die Masterausgänge zusammen mit den „Keyboardklängen“ zum Mischpult geschickt.
Man kann den Gesang allerdings auch separat über zusätzliche Stereoausgänge schicken. In dem Fall bleiben sie sogar von Lautstärkeänderungen des Keyboardsignals unbeeinflusst. Sehr gut!
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Aber was wäre in einem Keyboard dieser Preisklasse die Gesangsanlage ohne Fischer-Chöre ?
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Wer jemals einen richtig eingestellten TC-Helicon oder Digitech Vocalist im Einsatz gehört hat, sollte nun - wenn er am G-70 die Taster „Small, Ensemble oder Vocoder“ drückt - seine Erwartungen in Bezug auf die vorgenannten Vertreter dieser Zunft um ein gutes Stück zurückschrauben.
Ich möchte hier keinen Workshop für diese Funktion abhalten. Es sei nur soviel gesagt:
die Algorithmen, die Roland zum Erstellen der Zusatz-Stimmen unter Small und Ensemble einsetzt, sind meist nicht gut gelungen, einige sogar einfach nur sch....limm.
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Auch die vielen vorgefertigten Programme in dieser Abteilung täuschen nicht über die kleine Anzahl von verschiedenen Algorithmen hinweg. Es handelt sich lediglich um viele „gleiche“ Programme mit vielen unterschiedlichen, z.T. schauerlichen EQ-Einstellungen. |
Es ist möglich, mit viel „Schraubarbeit“ akzeptable Ergebnisse zur gelegentlichen Stimm-Aufbesserung in vielen Songs zu erzielen.
Die Möglichkeit über Vocoder, Ensemble und Small bis zu drei verschiedene „Chöre“ pro UPG/Song einzustellen ist dabei hervor zu heben.
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Wie bei der Solostimme sind auch diese „Chöre“ mit Effekten und EQ- Einstellungen zu bereichern, sehr gut.
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Und nochmal zu den separaten Ausgängen für diese Sektion.
Mit denen ist es nämlich möglich, die gesamte „Musik-Abteilung“ des G-70 unbeeinflusst zu lassen. Das heißt, ein Nachstellen am Master Volumen des G-70 hat keine Auswirkung auf den Gesang. Nachstellen an den getrennten Reglern für Stimme, Harmonie und Effekte ebenso ohne Einfluss auf G-70. Besser geht’s nicht.
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Nicht beschrieben habe ich hier weitere Funktionen wie Talk, Voice FX und Auto Pitch, nun, wer´s braucht, sind im Preis inbegriffen und im Fall Talk sogar nicht einmal schlecht.
Wer überwiegend mit Midfiles arbeitet, könnte mit dem Vocoder vielleicht sogar gute Ergebnisse erzielen, entzieht sich aus bekannten Gründen aber meiner Kenntnis. |
Singende G-70 User, die nicht über eine externe Harmonizer – Lösung verfügen, sind mit dem im G-70 eingebauten Vocal Harmonist durchaus in der Lage hier und da ihre Gesangsdarbietung ein wenig aufzupeppen. Allerdings mit etwas mehr „Zurückhaltung“ gegenüber den Roland-Presets.
Wenn es richtig gut werden soll, empfehle ich die externe Lösung
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Kurzfazit
Für Leute, die Arranger-Keyboards so für ihr Hobby nutzen und damit arbeiten wie buchstäblich in deren Bezeichnung ausgedrückt, war Roland bis vor einiger Zeit die Adresse schlechthin. Die Qualitätsgüte der Roland-Spitzenkeyboards mit ihrer Stylestruktur und der Beschaffenheit der Sounds und ihrer Einsatzmöglichkeiten erreichte ihren Gipfel mit dem G1000.
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Sein Nachfolger wurde unter dem immer stärker werdenden Druck der Konkurrenz vor seiner eigentlichen Fertigstellung auf den Markt, und somit quasi aus dem Fenster geworfen.
Viel versprechende, auf den ersten Blick verbesserte Features und auch Neuerungen waren so katastrophal „zusammen genagelt“, dass es nicht mal Roland selbst gelang diese Fehler, Bugs und logische Ungereimtheiten in der Bedienung und Datenspeicherung bis Produktionseinstellung zu beseitigen. Die wenigen guten und wirklich brauchbaren Funktionen konnten den Absturz auf dem Keyboardmarkt nicht verhindert.
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Für mich selbst und aus ganz bestimmtem Blickwinkel betrachtet, stellt der G-70 die größte Fehlinvestition meiner „Musiker-Laufbahn“ dar.
Aus ganz bestimmten Gründen hielt ich allerdings noch lange an ihm fest und stehe auch noch heute felsenfest dazu, dass er ein in der Veranlagung hervorragendes Keyboard ist, sein könnte, wäre wenn usw........
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Glücklicherweise ist die Angst, zukünftig mit keinem anderen Produkt mehr so arbeiten zu können, wie einst mit dem G1000, mittlerweile verschwunden.
Angesichts der Produkte anderer Hersteller wüsste ich keinen Grund, einem User auf „Brautschau“ zum Kauf eines gebrauchten G-70 zu raten, schon gar nicht ehemaligen G1000 Usern, die mit genau diesem richtig gearbeitet haben.......
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